Dauerhafte Schöpfung und Erlösung!

1. Creatio continua.
a) Die unermesslich großen Geheimnisse betrachtend, die im ganzen Weltall enthalten oder in es hineingelegt worden sind, kann man nicht zu Ende kommen, sie aufrichtig und sogar begeistert zu bewundern. Je mehr die heutigen Naturwissenschaften imstande sind, diesen oder jenen Einzelpunkt der Schöpfung mit ihren Mitteln zu erklären, desto mehr wird uns bewusst, welche unendlich große Weisheit dahinter steckt bzw. welch ein unendlich intelligenter Geist da am Anfang steht und die ganze große „Maschine“ nach welcher Theorie auch immer sozusagen „zum Laufen gebracht“ hat!
Noch mehr wird einem das bewusst, wenn man sich die ganzen Weiten des Weltalls vor Augen führt und den räumlichen Kosmos, den Raum an sich, als unendlich groß vorstellen muss. Daher gibt es jedenfalls für einen katholischen Christen keine andere Erklärung bezüglich der Frage nach den Anfängen der Schöpfung, als dass sie von Gott erschaffen worden ist, und zwar aus Nichts! So lehrt es dann natürlich auch die katholische Kirche.
Allerdings sieht die Kirche diese Frage nicht so, als sei alles einmal erschaffen worden und danach würde die Schöpfung in völliger Unabhängigkeit von ihrem Schöpfer von selbst existieren und sich wie auch immer autonom entwickeln. Die Kirche lehrt auch die göttliche Welterhaltung, dass Gott die Welt nämlich auch noch im Dasein erhält: „Infolge der Kontingenz und absoluten Abhängigkeit alles geschaffenen von der schöpferischen Erstursache folgt für das Geschöpf daraus, dass es durch Erschaffung begründet ist, durchaus noch nicht, dass es von jetzt an sein substantielles Sein ohne den Schöpfer auch selbstständig fortsetzen kann. Denn es gibt in seinem Dasein keinen Augenblick, in welchem es aufhörte, ein ens ab alio (Sein von einem anderen – Anm.) zu sein, und somit der erhaltenden Tätigkeit der All- und Erstursache entbehren könnte. Die plötzliche Zurücknahme des kausalen Einflusses des Schöpfers müsste für dasselbe vielmehr mit dem Zurücksinken in den Abgrund des Nichts endigen. Daher ist die göttliche Erhaltung zum Fortbestande der Welt ebenso unerlässlich, wie die Erschaffung es zu ihrer Begründung gewesen.“ (Pohle J., Lehrbuch der Dogmatik. Verlag Ferdinand Schöningh 1952, S. 509.)
Zusammengefasst: Gott hat die Welt aus dem Nichts erschaffen und erhält sie danach auch ständig im Dasein, damit sie nämlich nicht in das Nichts zurückfalle und somit aufhöre zu existieren. Somit dauert der betreffende göttliche Schöpferwille unverändert auch in jedem einzelnen Augenblick nach der Erschaffung der Welt zu Beginn der Zeiten an! Gott will also, dass die ganze Schöpfung gestern und heute im Dasein bleibe, dass auch jeder Einzelne von uns jeden Tag weiter lebe – so viel Zeit uns dafür hier auf Erden von unserem Schöpfer gegeben wird!
Bei den Kirchenvätern wird die Welterhaltung teilweise sogar auch als eine noch größere Leistung angesehen als die Welterschaffung selbst, wenn man beides gewissermaßen vergleichen wollte. So sagt der hl. Johannes Chrysostomus (Hom 2 in Hebr. 1,3 MG 13,23): „Nichts Geringeres ist es, die Welt zusammenzuhalten, als sie erschaffen zu haben. Allein wenn man sich verwundern darf, so ist jenes etwas Größeres. Denn bei der Erschaffung der Dinge sind zwar die Wesen hervorgebracht worden, bei ihrer Erhaltung aber wird das Geschaffene zusammengehalten, dass es nicht in Nichts zurückfalle.“ (Pohle, ebd. S. 510.)
b) Bei der Erschaffung des Menschen hat Gott diesem ja auch den folgenden bedeutsamen Auftrag gegeben: „Seid fruchtbar und mehret euch! Erfüllt die Erde und macht sie euch untertan.“ (Gen 1,28.) Dies kann man sehr wohl auch als einen Auftrag ansehen, dass der Mensch sich generell am Prozess der dauerhaften Schöpfungserhaltung beteiligen soll.
Gerade die Geburt der Kinder als der jeweils nächsten Generation von Menschen ist da ein wesentlicher Bestandteil dieser Schöpfungserhaltung! Dafür ist eben der Mensch selbst zuständig, was nämlich den betreffenden Prozess der Zeugung und Geburt angeht. Die beiden Ausnahmen sind da nur die Erschaffung des ersten Elternpaares Adam und Eva im Paradies als auch (teilweise) die Geburt Jesu Christi aus Maria der Jungfrau ohne einen entsprechenden menschlichen biologischen Vater.
In diese Liste der entsprechenden menschlichen Beteiligung am Prozess der andauernden Schöpfungstätigkeit Gottes kann man dann vielleicht auch eine ganze Reihe anderer menschlicher Tätigkeiten eintragen, die unsere Welt gewissermaßen prägen und teilweise auch verändern. So z.B. in der Metallurgie die Schaffung neuer Metalllegierungen, wo doch der Mensch mit seinem ihm von Gott gegebenen Intellekt gewissermaßen neue Materialien erfindet. Man kann in diesem Zusammenhang z.B. auch an die Erfindung neuer chemischer Stoffe denken, die dann doch wiederum einen großen Einfluss auf unser tägliches Leben haben.
Noch mehr verdient hier gerade der enorme Fortschritt in der medizinischen Forschung und Behandlung eine entsprechende Erwähnung oder auch ganz speziell die notwendige positive Bemühung der Menschen um gute Erziehung der Jugend bzw. generell vernünftige und sittlich orientierte Bildung der Menschen in unseren einzelnen Gesellschaften! Zweifelsohne können solche Anstrengungen nur im Einklang mit dem Schöpferwillen Gottes stehen.
2. Redemptio continua.
a) Gott hat die Welt nicht nur erschaffen, sondern dann auch erlöst. Denn das Ziel der Schöpfung kann nach der Intention Gottes wohl nicht in der Existenz eines rein physikalisch-biologischen Daseins von Materie und Geschöpf bestehen, sondern muss wohl in der gnadenhaften Teilhabe der vernünftigen Schöpfung, des Menschen, an der unendlich großen Liebe Gottes gesehen werden! Und wenigstens weil der Mensch sich in der Ursünde Adams und Evas von Gott getrennt hat, entstand die Notwendigkeit der Sühne der menschlichen Schuld durch den menschgewordenen Gott, Jesus Christus – der Mensch selbst kann in seinem sittlichen Eingeschränkt-Sein seine vor Gott als unendlich groß erscheinende Schuld keinesfalls selbst sühnen.
So wurde Gott in Jesus Christus Mensch und vollzog Sein Erlösungswerk in der Zeit mittels Seines stellvertretenden Leidens und Sterbens am Kreuz. Jesus identifizierte sich als der Heilige schlechthin mit unserer Schuld vor Gott und „hat die Schuldschrift, die uns mit ihrer Anklage belastete, ausgelöscht und vernichtet, da Er sie ans Kreuz heftete“ (Kol 2,14).
Dieses Sühnewerk war, ist und bleibt immer vollkommen und bedarf an sich keiner noch so geringen Ergänzung oder Vervollständigung. Im Hebräerbrief heißt es diesbezüglich: „Dieser aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt. … Mit dem einmaligen Opfer hat Er ein für allemal die zur Vollendung geführt, die sich heiligen lassen. … Wo aber diese (die Sünden – Anm.) vergeben sind, bedarf es keines Opfers mehr für die Sünde.“ (Hebr 10,12-18.)
b) Dennoch dürfen wir diesen Akt der göttlichen Erlösung ebenfalls nicht so interpretieren, als ob Jesus einmal alles getan und komplett abgeschlossen und sich dann nach Seiner Himmelfahrt wie ein Rentner nach Abschluss seiner aktiven Berufstätigkeit sozusagen „zu Ruhe gesetzt“ habe.
In demselben Hebräerbrief wird nämlich an einer anderen Stelle einmal über die Erhabenheit des Priestertums Christi über das alttestamentarische levitische Priestertum reflektiert. Unter Verweis auf den Psalm 109,4 und den dort genannten „Eidschwur“ des Vaters heißt es dann: „Dementsprechend ist Jesus Bürge eines höheren Bundes geworden. Zudem gab es dort Priester in größerer Anzahl, weil der Tod sie am Bleiben hinderte. Hier aber ist einer, der in Ewigkeit bleibt und darum ein unvergängliches Priestertum hat. Darum vermag Er auch vollkommen die zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten. Er lebt ja immerdar, um Fürsprache für sie einzulegen. (Hebr 7,22-25.)
Demnach haben die Priester des Alten Bundes deswegen ein vergängliches Priestertum gehabt, weil „der Tod sie am Bleiben hinderte“. Sie starben alle, und zwar ausnahmslos. Dadurch aber, dass sie alle als biologische Nachkommen des betreffenden Stammes Levi Generation für Generation ihren Priesterdienst antraten, wurde nicht nur ein Fortdauern dieses alttestamentarischen Priestertums ermöglicht, sondern auch das künftige ewige und vollkommene Priestertum geradezu prophetisch angedeutet! Dieses soll dann weder ein rein menschliches sein noch durch den Tod an seinem Fortbestehen wie auch immer beeinflusst werden.
So heißt es dann, die Fortdauer des Priestertums Jesu wird dadurch garantiert, dass es sich hier um einen Priester handelt, „der in Ewigkeit bleibt und darum ein unvergängliches Priestertum hat“! Weil also Jesus ewig lebt und Sein Priestertum somit nie aufhört, „vermag Er auch vollkommen die zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten“.
Und dieses „Nicht-Sterben“ bzw. „Ewig-Bleiben“ Jesu besteht dann nicht nur in einem etwa rein passiven oder somit apathischen Zuschauen auf das, was auf Erden so alles passiere, sondern sogar ausdrücklich in einer ganz bestimmten Aktivität: „Er lebt ja immerdar, um Fürsprache für sie einzulegen“! Also besteht das Fort-Leben Jesu gerade in Seiner in der Ewigkeit des Himmels fortdauernden Fürbitte für die, „die durch Ihn vor Gott hintreten“ – obwohl Er hier auf Erden mit Seinem „einmaligen Opfer“ „ein für allemal die zur Vollendung geführt (hat), die sich heiligen lassen“.
Offensichtlich sieht der Hebräerbrief nicht den geringsten Widerspruch darin, dass auf der einen Seite das Opfer Jesu Christi in der Zeit „ein für allemal“ genügt und keiner Ergänzung bedarf, und auf der anderen Seite dieselbe Opfergesinnung Jesu in der Ewigkeit insofern fortdauert, da Er dort vor dem himmlischen Thron sehr wohl sozusagen weiterhin „Fürsprache für“ uns einlegt!
Zudem sieht der hl. Apostel Johannes in einer Vision im Himmel „mitten vor dem Thron“ „ein Lamm dastehen, wie geschlachtet“. In demselben Kapitel wird dann von diesem göttlichen „Lamm“ noch einmal betont, dass es „geschlachtet wurde“ und somit „würdig ist, zu empfangen Macht, Reichtum, Weisheit, Kraft, Ehre, Preis und Lob“ (vgl. Offb 5,6.12.)
Das Einlegen der Fürbitte für uns durch Jesus im Himmel ist ein ewiger Akt und nicht nach der Logik der Zeitlichkeit dieser irdischen Welt zu verstehen. Dennoch muss dies im Sinn des Fortdauerns des einmal in der Zeit vollzogenen Erlöserwillens Jesu verstanden werden, weil Er ja trotz der Vollkommenheit Seiner irdischen Hingabe zu unserer Erlösung gewissermaßen weiterhin „Fürsprache“ für uns einlegt, zumal in Seiner Eigenschaft als das „Lamm“, welches dasteht „wie geschlachtet“, d.h. im Opferzustand!
c) Dies findet auch durch den folgenden wichtigen Umstand Bestätigung. Wir, Menschen, wissen ja, dass wir uns nicht automatisch und ohne unser eigenes gewisses Dazutun der gnadenhaften Früchte der betreffenden Erlösung durch Gott erfreuen können. Der Mensch muss den wahren Gott in Jesus Christus erkennen, geistig von seinen falschen und sündhaften Irrwegen abkehren und sich dann bewusst und willentlich dem menschgewordenen Gott zuwenden. Und erst dann, wenn wir innerlich umkehren, die Gebote Gottes einhalten, uns taufen lassen, am Sakramentenleben teilnehmen und uns emsig bemühen, ein gottwohlgefälliges Leben zu führen, können wir erst konkret an der göttlichen Gnade der Erlösung in Jesus Christus partizipieren!
Aber schon daran kann man gut erkennen, dass der Mensch auf der einen Seite zwar absolut nichts mit der Ursächlichkeit der Erlösung zu tun hat – Gott allein ist da der Wirkende –, aber auf der anderen Seite unbedingt auch bestimmte Aktivitäten unternehmen muss, damit die Erlösung an und in ihm wirklich fruchtet und ihre eigentliche Bestimmung findet. Denn es kann wohl kaum der Absicht Gottes entsprechen, dass zwar alle Menschen nach dem Tod und der Auferstehung Jesu die grundsätzliche Möglichkeit der Teilhabe an bzw. des Beschenkt-Werdens mit den Erlösungsgnaden haben, keiner dies aber konkret realisiert und so der Liebe Jesu teilhaftig wird.
Somit lebt der Erlöserwille Jesu hier auf Erden insofern fort, dass unser Geist von der Gnade Christi erleuchtet wird und wir eine tiefe Sehnsucht nach himmlischen Wahrheiten erfahren, dass wir uns taufen lassen und eine ganze Reihe von anderen Segnungen Gottes erfahren! Insofern werden wir ja jedes Mal durch die erlösende und heilende Gnade Christi weiter „geheiligt“ bzw. erfahren vom Prinzip her ein jeweils höheres Maß der Teilhabe an den vielfältigen und reichhaltigen Gnaden der Erlösung Christi! (Hoffentlich blockiert dann unser Eigenwille diese Wirkung nicht!)
Aber wir können die Gnaden der Erlösung auch anderen Menschen vermitteln und somit sowohl zum zahlenmäßigen als auch inhaltlichen Wachstum des Reiches Gottes hier auf Erden beitragen! Vor allem können in diesem Zusammenhang das Gebet und verschiedenartige Aufopferungen der eigenen (Lebens)Kreuze zugunsten anderer Menschen genannt werden. Selbstverständlich auch andere Werke der Gottes- und Nächstenliebe. So helfen wir als Jünger Jesu dann ja unserem Göttlichen Erlöser ebenfalls auf eine bestimmte (wenn auch nur ganz bescheidene) Weise mit, dass andere Menschen entweder erst zum Licht des Evangeliums Jesu Christi kommen oder darin eine weitere geistig-gnadenhafte Entwicklung erfahren!
Gewissermaßen zusammenfassend heißt es diesbezüglich in der Bergpredigt so zutreffend: „Ihr seid das Salz der Erde. … Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Auch zündet man kein Licht an und stellt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter. Dann leuchtet es für alle im Haus. So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5,13-16.)
d) Auf eine ganz besondere Art dauert das Heilswirken Christi auf die beschriebene Weise im hl. Messopfer fort, in der liturgischen Opferhandlung des Neuen und Ewigen Bundes! Bei der Einsetzung dieses eucharistischen Opfers sprach Jesus ja: „Alsdann nahm Er Brot, dankte, brach es und reichte es ihnen mit den Worten: ‚Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Andenken.‘ Ebenso nahm Er nach dem Mahle den Kelch und sagte: ‚Dieser Kelch ist der Neue Bund mit meinem Blute, das für euch vergossen wird.‘“ (Lk 22,19f.) Vor allem die sich als „freikirchlich“ bezeichnenden Protestanten sagen bezüglich des Blutes des Neuen Bundes, Jesus Christus habe einmal gelitten und uns grundsätzlich erlöst; wenn wir dann glauben und uns v.a. taufen lassen, fließe das Blut Jesu gewissermaßen geistig über uns und reinige uns von unseren Sünden; so entstehe dann der betreffende Bund zwischen Gott und dem betreffenden Menschen; mehr bedürfte es dann im Prinzip nicht dazu.
Wenn es denn von Jesus nur so gemeint sein sollte, dann würde man nicht erklären können, weshalb Er denn am Vorabend des Tages, der für Ihn am schwersten und am meisten leidensintensiv werden sollte, überhaupt hingeht und das vor Seinen Aposteln tut und spricht, was wir gerade über die betreffende Einsetzung der Eucharistie gelesen haben. Denn Er sagt ja, dass gerade der ganz konkrete Inhalt des sich in Seinen Händen ganz konkret befindenden Kelches Sein „Blut“ ist! Also soll aus der Sicht Jesu Sein Blut nicht erst morgen, am historischen Karfreitag, vergossen werden, sondern der sich hier in diesem Kelch befindende Wein sei eben bereits Sein „Blut“, von dem Er redet!
Weil aber das sich hier im Kelch befindende (und durch die betreffenden Worte Jesu gegenwärtig gesetzte) Blut des Erlösers selbstverständlich nur als identisch mit dem am darauffolgenden Karfreitag vergossenen Blut Jesu verstanden und angesehen werden kann (wegen der Ernsthaftigkeit der Person Jesu und Seiner konkreten Lebenssituation am betreffenden Tag), muss man schlussfolgern, dass aus einem bestimmten und Gott bekannten Grund gerade auch mittels des sich im Kelch real befindenden Blutes Jesu der Neue und Ewige Bund konstituieren lasse.
Berücksichtigt man, dass Jesus dann Seinen Aposteln ja auch noch die direkte Anordnung gegeben hat, sie sollen unbedingt dasselbe tun, was Jesus vor ihren Augen gerade mit diesem „Brot“ und „Kelch“ getan und dabei gesprochen hat („Tut dies zu meinem Andenken“!), erahnt man schon, dass es sich bei dieser liturgischen Handlung keinesfalls lediglich um eine Lappalie oder etwa rein symbolische Zeremonie handeln kann, die nämlich keine wirkliche Bedeutung für die Frage der Erlösung bzw. Heilsvermittlung hätte. Wenn die Apostel im ausdrücklichen Auftrag (und sehr wohl auch kraft Seiner entsprechenden Bevollmächtigung – Einsetzung des neutestamentarischen Priestertums!) eben ebenfalls das Brot in den Leib und den Wein in das Blut Christi verwandeln sollen, dann erscheint dieses von Jesus ausdrücklich gewollte liturgische „Blutvergießen“ (in der hl. Messe) nicht nur als ein bedeutsamer, ja sogar essentieller Teil des Heilswirkens Jesu, sondern hat auch eine extrem hohe bzw. fundamentale Bedeutung für die Frage nach der Heilsvermittlung der betreffenden Erlösergnaden Jesu!
Die katholische Kirche versteht und erklärt den mysterienhaften Zusammenhang zwischen dem Kreuzesopfer auf der einen und dem Messopfer auf der anderen Seite theologisch so, dass der Jesus am Kreuz beseelte Heilswille bzw. Seine göttliche Erlöserliebe im Messopfer eben über Zeit und Raum hindurch real gegenwärtig gesetzt würden, damit jeder Mensch dann zu seiner Lebenszeit und an seinem Lebensort mittels des Messopfers am heilbringenden Kreuzesopfer Jesu sozusagen konkret „andocken“ und dessen geistiger Früchte konkret teilhaftig werden kann!
Jesus leidet im Messopfer numerisch nicht etwa zum zweiten, zehnten, neunhundertsten oder zehnmilliardsten Mal wieder. Es ist in beiden Fällen der eine und derselbe Leidensakt Jesu, wobei sich im Messopfer zu jeweiliger Zeit und am jeweiligen Ort, wo es dann nämlich gefeiert wird, jenes erlösende und heilbringende „Hintreten“ Jesu „vor Gott“ im himmlischen Jerusalem aktualisiert, welches sich auf Erden und somit in der Zeit am historischen Karfreitag vollzog und dann in der Ewigkeit vor dem Thron Gottes seine mysterienhafte Fortsetzung findet! „Darum vermag Er auch vollkommen die zu retten, die durch Ihn vor Gott hintreten. Er lebt ja immerdar, um Fürsprache für sie einzulegen“.
Wie also die Erdkugel und der gesamte gewaltige Weltraum vom Schöpfergott nicht nur einmal erschaffen worden sind, sondern von Ihm dann auch immer und dauerhaft im Dasein erhalten werden müssen (creatio continua), so ähnlich dauert auf die hier beschriebene vielfältige Weise auch der entscheidende Erlösungsakt des Dreifaltigen Gottes in Jesus Christus an (redemptio continua). In beiden Fällen, also sowohl in der Schöpfung als auch in der Erlösung, offenbart sich uns ein Gott, der die Liebe schlechthin ist und sich unser, Seiner armen Geschöpfen, die Er nach einem unergründlichen Ratschluss Seiner Vorsehung ins Dasein gerufen hat, eigentlich, sofern es nämlich nur Ihn anginge, nur erbarmen möchte!

P. Eugen Rissling

 

 

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